Sehenswertes im Ortsteil Gnadau
GNADAU
Nachdem 1747 mit Anerkennung des Augsburgischen Bekenntnisses der kirchenrechtliche Status der Brüdergemeine im Kurfürstentum Sachsen geklärt war, pachtete Graf Heinrich XXVIII. von Reuß-Ebersdorf, ein Neffe Zinzendorfs, im Namen der Brüderunität 1748 vom sächsischen Staat das leerstehende Schloss in Barby/Elbe bei Magdeburg. Barby blieb bis ins frühe 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Zentren der Brüdergemeine. Hier hatten die Unitätsleitung, das Pädagogium (Seminar)und die Unitäts-Druckerei ihren Sitz. Da der Ausbau des Schlossbezirks zu einer eigenen Siedlung nicht zustande kam, wurde nicht allzu weit entfernt, auf der Flur des ebenfalls gepachteten Vorwerks Döben 1767 die Siedlung angelegt, die den Namen Gnadau erhielt. Während Barby 1808 als Standort der Brüdergemeine aufgegeben wurde, blieb Gnadau bestehen.
Der Grundstein des ersten Hauses wurde am 17. Juni 1767 gelegt. Bei der Gestaltung Gnadaus folgte man einem Idealplan. Der Ort hat die Grundform eines Quadrats, welches schachbrettartig in neun Rechtecke geteilt ist. Das Quadrat in der Mitte ist dem parkartig gestalteten Zinzendorfplatz vorbehalten. Er wird von sich kreuzenden geradlinigen Straßen begrenzt, so dass acht quadratische Quartiere entstanden. Das gesamte Quadrat wird von einer umlaufenden Lindenallee umgeben (1783). An der östlichen Platzkante steht der von zwei Wohnhäusern flankierte Gemeinsaal (1780/81). Das Gartenland dahinter führt weiter zum Gottesacker, deren neuer Teil sich bereits außerhalb des Siedlungsquadrats befindet. Schwesternhaus (1774, mehrfach erweitert) und Brüderhaus (1769) setzen die Straßenfront fort, liegen aber bereits in den benachbarten Quartieren. Am Zinzendorfplatz und in den Seitenstraßen sind mehrere, meist zweigeschossige Wohnhäuser des ausgehenden 18. Jahrhunderts erhalten geblieben.
Die wichtigsten Betriebe in Gnadau waren die Buchdruckerei der Brüdergemeinde, die Unitätsbuchhandlung und eine Bäckerei, die „Gnadauer Brezeln“ herstellte. Die bedeutendste Einrichtung der Brüderunität waren die Gnadauer Anstalten, eine Mädchenschule mit Internat. Hier wurden bis 1950 Schülerinnen aus ganz Deutschland unterrichtet. Nach der Schließung der Schule nutzte man die Gebäude der Gnadauer Anstalten, darunter das frühere Schwesternhaus, seit 1951 als Alten- und Pflegeheim. Heute befinden sich hier das Maria-Heyde-Heim, ein Altenpflegeheim der Herrnhuter Diakonie, sowie eine Kindertagesstätte. Um die Schultradition der Herrnhuter wieder aufzunehmen, wurde 2002 eine private christliche Grundschule gegründet, die Evangelische Zinzendorfschule Gnadau. Sie ist im früheren Brüderhaus untergebracht.
Gnadau ist auch außerhalb der Herrnhuter Brüdergemeine bekannt, weil von diesem Ort mehrfach Impulse für die evangelische Kirche ausgingen. 1841 wurde hier die Lichtfreunde-Bewegung gegründet, eine dem theologischen Rationalismus verpflichtete Gemeinschaft. 1888 gründeten Anhänger der Gemeinschaftsbewegung, eine pietistische Strömung innerhalb der evangelischen Landeskirchen, in Gnadau den Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverband. Er umfasst heute 37 Mitgliedsverbände, 16 Diakonissen-Mutterhäuser sowie mehrere Missionsgesellschaften.